„Wie ein lebendiges Stadtviertel entsteht“ ist der Titel des kürzlich bei Springer erschienenen Buchs von Manfred Wasner, des ehemaligen Geschäftsführers der ARWAG. Er untersucht und dokumentiert darin 15 Fälle mischgenutzter Arealentwicklungen der 80er und 90er Jahre in Wien. Das Fachkonzept „Produktive Stadt“ stellt ein Bekenntnis der Stadtregierung Wiens zu solchen mischgenutzten Quartieren in bestimmten Bereichen Wiens dar, macht aber keine Aussagen wie die gewünschte Nutzungsmischung konkret aussehen soll, wer sie in welchen Prozessen umsetzen soll und wer sie betreibt bzw. managed. Insofern schließt Wasners Publikation eine Lücke, da sie das wer und wie an 15 Beispielen thematisiert und behauptet, dass das auch heute noch geht.
Im Wintersemester 2022/23 entwickelten Masterstudent:innen der Architektur und Raumplanung an der TU Wien Ideen und Konzepte für einen mischgenutzten Stadtteil und seine schrittweise Umsetzung. Am Beispiel eines in wesentlichen Teilen als Betriebsstandort brachgefallenen Areals im 22. Wiener Gemeindebezirk in Hirschstetten, erarbeiteten die Student:innen diverse Lösungsvorschläge für die (Re-)Integration des produzierenden Gewerbes in die „Zwischenstadt“.
Beim Entwurfsgebiet in Hirschstetten und seinem Umgriff handelt es sich um ein Stück Wiens, das Tom Sieverts als typische „Zwischenstadt“ bezeichnen würde. Zwischen Stadt und Land, zwischen Welt und Ort, zwischen Geschichte und Gegenwart. Orte, die keine klassischen Zentrumsfunktionen im Sinne von Einzelhandel und Kulturangeboten aufweisen. In solchen Bereichen der Stadt übernimmt das funktional angerichtete Grün (Parks u.ä.) eine Zentrumsfunktion, die besondere Identifikation mit dem Stadtteil erlauben und das soziale Miteinander fördern.
Die Entwurfsaufgabe war es aus dem Bestand heraus einen glaubwürdigen Prozess für die Aktivierung und Entwicklung des Areals vorzuschlagen. Neben baulich-räumlichen Konzepten und Nutzungskonzepten waren Akteurskonzepte und Konzepte für die phasenweise Umsetzung der Nutzungsmischung gewünscht.
Der Fokus lag darauf Synergien zwischen unterschiedlichen Nutzungen zu erreichen – ein Miteinander statt einem Nebeneinander. Die Konzepte sollten insbesondere hinsichtlich des angedachten nicht-Wohnnutzen glaubwürdig sein. Das potenzielle Interesse der Akteure am Standort bot die Ausgangslage für diverse Mixed-Use-Modelle des synergetischen Koexistierens von Typologien des produzierenden Gewerbes und Wohnnutzungen.
Leitfragen der Entwurfsarbeiten waren:
Diesen Fragestellungen näherten sich die Studierenden aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Der studentische Wettbewerbsbeiträge der 13 Gruppen haben diverse Ansätze für den Umgang mit dem „Fachkonzept der Produktiven Stadt“ aufgezeigt und bieten Immobilienentwicklungsunternehmen kreative Lösungsansätze für die Praxis.
Die ARWAG Holding – Aktiengesellschaft hat in den drei Kategorien (1) Strategic Urban Management (2)Urban Design (3) Urban Architecture ein Preisgeld in Höhe von € 3600,- für besonders innovative Ideen gestiftet.
Titel der Arbeit: Pro‘druck‘tive Stadt
Donart Gallapeni
Sazan Kurtisi
Fatih Özyücel
Die Gruppe schlägt vor auf dem Areal ein 3D-Druckcluster zu entwickeln. Sie nehmen damit zwei Wünsche der Wirtschaftsagentur Wien (WA) auf: die Fortführung der betrieblichen Nutzung des Areals und den weiteren Ausbau der international herausragende Stellung Wiens / Österreichs im Bereich des 3D-Drucks.
Ein solches Vorhaben braucht die besten Köpfe, sowohl was die 3D-Drucktechnologie anbelangt, als auch was Aufbau und Betrieb eines solchen Clusters und die Kundenkontakte betrifft. Das hat die Gruppe sehr gut verstanden und liefert hervorragende Ansprechpartner:innen, die den Start des Prozesses ermöglichen. Das Team hat verstanden, welche Qualitäten ein Cluster als Ökosystem für Unternehmen attraktiv machen und setzen dies konsequent in Ihrem Beitrag um. Als städtebaulichen Entwurf für den 3D-Druckcluster wird mit der vorgeschlagenen Halle ein Platzhalter geliefert, was folgerichtig ist, schließlich wird die konkrete Form Ergebnis des skizzierten Prozesses sein und ist somit noch weitgehend unbekannt.
Der Entwurf der Misch- und Wohngebiete und die verbindende Spange mit öffentlichen Nutzungen hat städtebauliche Qualitäten. Die Erschließung des Areals zwischen Hofer und OMV-Tankstelle wäre durch Versetzen der Ampel denkbar und stellt einen folgerichtigen Vorschlag dar.
Die gegebene Liegenschaftsstruktur ist annähernd berücksichtigt. Die Gebäudestruktur hat Bezug zur Umgebung. Die Nutzungsarten sind sachlich getrennt und städtebaulich verbunden. Das Konzept ist offen für unterschiedliche Dichteentwicklungen.
Sebastian-Andreas Dan
Sebastian Hofer
Aleksa Pjevic
Die Arbeit der Gruppe überwindet die aktuell fehlende leistungsfähige LKW-Erschließung des Areals durch ein Anschlussbahngleis, parallel zum bestehenden Bahnkörper – eine unter Umweltgesichtspunkten wünschenswerte Erschließung, die sich hier aus Mangeln an guten Alternativen anbietet. Die technische Machbarkeit wurde bei einer ersten Grobprüfung mit der ÖBB festgestellt. Die umweltgerechte Produktion wird im Beitrag konsequent weiterentwickelt und parallel zu den Gleisen ein Sägewerk mit holzverarbeitender Industrie vorgesehen. Von der Anlieferung regional geschlagenen Holzes auf der Schiene über die Produktion von Bauteilen für mehrgeschossige Holzwohnhäuser bis hin zu Produktion der Möbel, baut sich die Stadt selbst, aus nachwachsenden Rohstoffen und ohne lange Transportwege.
Die Industriegebäude werden im Süden durch einen Erdwall zu den Schrebergärten abgegrenzt. Im Westen bildet ein mischgenutztes Gebäude ein spannendes Bindeglied zwischen Industrie- und Wohnungsbau. Bei der „selbstbauenden Stadt“ handelt es sich um eine der wenigen Arbeiten, die bewusst Nutzungen im Gebäude mischt und nicht nebeneinanderstellt. Auch der Grünzug und die Wohnbebauung entlang der Pogretzlstraße weisen hohe städtebauliche Qualitäten auf – klare, sinnvolle Gestaltungsprinzipien, ohne den Eindruck von Monotonie.
Die gegebene Liegenschaftsstruktur ist annähernd berücksichtigt. Die Gebäudestruktur hat Bezug zur Umgebung. Die Nutzungsarten sind sachlich getrennt und städtebaulich eindrucksvoll verbunden. Das Konzept ist offen für unterschiedliche Dichteentwicklungen.
Nikolaus Fehringer
Hannes Hofner
Ognjen Ugrcic
Die Studierenden schlagen vor die Produktion von Mikroalgen in die Stadt zu integrieren. Sie schaffen dadurch, vermutlich eher zufällig, die Voraussetzung Stadt völlig neu zu organisieren, baulich-räumlich, hinsichtlich der Stoffströme, sowie des Zusammenlebens. Im Rahmen des zeitlich begrenzten Wettbewerbs konnten die Potenziale lediglich skizziert werden, so vielfältig und umfassend sind sie.
Mikroalgen finden in Nahrungsmitteln und Kosmetik Verwendung. Recherchen der Gruppe haben ergeben, dass die Produktion in vertikal mäandrierenden Glasröhren erfolgt, die einen Regen- und Hagelschutz und Licht benötigen. In einem 3-4 Meter hohen lichtdurchfluteten Dach untergebracht erzeugt die Algenproduktion potenziell einen leicht schattigen Raum beliebiger Größe, der durch vertikale Fassaden ergänzt zum Innenraum wird. So entsteht mit wenigen zusätzlichen Investitionen ein Außenraum, der zugleich Innenraum ist; ein witterungsgeschützter Raum, der mit herabgesetzten Energiebedarf beheizt und gekühlt werden kann. Der darunter entstehende Stadtraum braucht weniger an baulichem Wärmeschutz, erlaubt ganzjährig den Aufenthalt im Außenraum uvm. Ergänzungen des Dachs und der Fassade um Photovoltaik sind problemlos möglich. Zwischen Algenproduktion und Stadt entstehen zahllose Synergien. Die produktive Stadt ermöglich einen völlig neuen Typus Stadt und neue Formen des Zusammenlebens.
Die gegebene Liegenschaftsstruktur ist wenig berücksichtigt. Die Gebäudestruktur bringt Neues in die Umgebung. Die Nutzungsarten sind in innovativer Art aufgeteilt und städtebaulich verbunden. Das Konzept ist offen für Dichteentwicklungen.
Auch in den kommenden Semestern wird sich das Institute of Property Research in diversen Formaten das Fachkonzept der Produktiven Stadt auseinandersetzen und neue Forschungserkenntnisse zugänglich machen.
Text: DI Shanine Alpen